WertbasisMenschenwürde und individuelle Freiheit sind Werte der Aufklärung, denen ichmich verpflichtet fühle. Menschen sind sehr verschieden und befinden sich in den unterschiedlichsten Lebenslagen, in ihrem tiefsten Wesen sind sie jedoch gleich. Diese substantielle Identität begründet die Forderung nach tätiger Solidarität sowohl zwischen Einzelnen wie auch als gesellschaftliches Prinzip. Der Gedanke der Menschenwürde enthält auch das Wissen um die Unauslotbarkeit der Person. „Der Seele Grenzen kannst du nicht ausfinden, und ob du jegliche Straße abschrittest; so tiefen Grund hat sie.“ (Heraklit) So gesehen enthält der Mensch bleibend etwas Außerrationales, das sich naturwissenschaftlicher Erkenntnis entzieht. Unter Anerkennung dieser Voraussetzungen verstehe ich Politik als ein rationales Verfahren, mit dem sich die Bürger im Medium von Freiheit und Gleichheit auf gemeinsame Entscheidungen einigen. Das Ergebnis dieser Entscheidungen wird tendenziell zu Verhältnissen führen, in denen individuelle Freiheit grundsätzlich nur so weit realisiert werden darf, wie sie nicht die ebenso große Freiheit der Anderen beeinträchtigt. (Kant) Dieser liberale Grundsatz wird gegenwärtig jedoch durch wirtschaftliche und politische Machtprivilegien konterkariert. Wer Menschenwürde und Freiheit ernst nimmt, muss sich für den Abbau solcher Privilegien einsetzen. Demokratie und WirtschaftLeitwerte meiner politischen Überzeugung sind Demokratie und sozialer Ausgleich. Demokratie bedeutet Partizipation auf allen Ebenen. Sozialer Ausgleich verhindert das Auseinandertriften der Gesellschaft und beugt damit Konflikten vor. Die Wirtschaft hat den Menschen zu dienen und darf sie nicht beherrschen oder gar versklaven. Abzulehnen ist der Unsinn einer „marktkonformen Demokratie“ (Merkel), bei der der Volkswille nur insoweit zählt, als er den Vorgaben der Finanzinteressen entspricht. Dagegen benötigen „die Märkte“ einen staatlichen Ordnungsrahmen, um ihre Funktion im Sinne des Gemeinwohls erfüllen zu können. Spekulationen einer kleinen Minderheit auf Kosten der Mehrheit müssen unterbunden werden. Denn: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (Art. 14, Abs. 2 des Grundgesetzes). Auch das Sozialstaatprinzip der Artikel 20 und 28 muss wieder ernst genommen werden. Denn ohne Sozialstaatlichkeit ist Demokratie eine Illusion. Menschen müssen die materiellen Voraussetzungen vorfinden, um überhaupt erst als Demokraten aktiv werden zu können.PädagogikDer Mensch ist ein auf Entwicklung und Entfaltung angelegtes Wesen. Die politischen und sozialen Rahmenbedingungen müssen so gestaltet sein, dass sie die Offenheit individueller Entfaltung wie auch die Unabgeschlossenheit des gesellschaftlichen Prozesses insgesamt erlauben und nicht blockieren. Unter pädagogischem Gesichtspunkt halte ich daher die betriebswirtschaftlich verengte Reduktion des Bildungsbetriebs auf die Erzeugung von „Employability“ (Beschäftigbarkeit) für unwürdig. Um die großen Fragen der Gegenwart zu bewältigen, brauchen wir keine angepassten Karrieristen, sondern umfassend gebildete, kreative und verantwortungsbewusste Individuen. Schulen und Hochschulen sollten daher Lernfreude und Wissensneugier fördern. Das selbständige und zugleich solidarische Lösen von Problemen sollte im Mittelpunkt stehen. Die konkurrenzorientierte Jagd nach Noten und „Credit Points“ führt dagegen ins Abseits der Langeweile und Ideenlosigkeit. Das deutsche Schulsystem bedarf einer grundsätzlichen Modernisierung, bei der die auf der Individualisierung des Lernens basierende Gemeinschaftsschule an die Stelle des gegliederten Selektionssystems tritt.ReligionDas Bedürfnis der Menschen nach einer Sinngebung, die über die kurze Spanne des Lebens hinausweist, nehme ich ernst. Ich glaube nicht, dass es gelingen wird, dieses Bedürfnis durch die Umgestaltung der Gesellschaft zu beseitigen. Es existiert auch keine Form des Skeptizismus, der Rationalität oder des wissenschaftlichen Nachweises, die den Diskurs um metaphysische Fragen beenden könnte. Es gilt, sich diesem Tatbestand zu stellen, aber die Spreu vom Weizen zu sondern. Problematisch und in ihrer politischen Form gefährlich sind alle Spielarten des religiösen Fundamentalismus. Es existieren jedoch Arten der Spiritualität, die nichts mit fundamentalistischen Ansätzen verbindet. Spiritualität von Dogmatismus, Fundamentalismus, Aberglauben und Leichtgläubigkeit zu reinigen, ist daher sinnvoller, als jedes metaphysische Denken und Fühlen in Bausch und Bogen zu bekämpfen und zu verdammen. Bei aller Nähe zu modernen Formen des Christentums bin ich kein Anhänger irgendeiner Religion. Ich glaube, dass das Geheimnis des Seins letztlich unerkennbar und in direkter Weise auch unaussprechlich ist. „Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische“. (Ludwig Wittgenstein). Hans-Peter Waldrich Hans-Peter Waldrich |